„Nierensteine.“ Der schwedische Schriftsteller Aris Fioretos hat uns vor einen wandgroßen Setzkasten mit bunten Kostbarkeiten geführt und erklärt heiter, was da zu sehen ist. Wir sind im Medizinhistorischen Museum der Charité, das 1899 von dem Pathologen Rudolf Virchow gegründet wurde. 300 Jahre Medizingeschichte und 750 Feucht- und Trockenpräparate werden hier ausgestellt.
Fioretos, Sohn eines Mediziners, lebt in vielen Ländern und Sprachen: Sein Vater war Grieche, die Mutter stammt aus Österreich. Geboren und aufgewachsen ist er in Schweden, hat in den USA studiert, wohnt heute aber in Berlin. Ein Lebensweg, der geradezu vorgeschrieben hat, was ihn als Autor in seinen Werken immer wieder beschäftigt: die Erinnerung und der Verlust von Orten, Menschen und Worten. Für unser Gespräch über „Lost wor(l)ds“ hat Fioretos nach einem Auftakt in seiner Berliner Wohnung diesen Ort gewählt. Dabei interessiert er sich nicht für die Publikumsrenner des Museums, den „Froschkopf“ zum Beispiel, der im dritten Stock heiter und gleichmütig in Formaldehyd schwimmt und in die Ferne träumt. Es ist dieser Setzkasten, der an ein Kunstwerk von Damien Hirst erinnert, der ihn fasziniert.
Schauen Sie, lauter Einzigartigkeiten. Verschiedene Sorten, Größen und Farben. Manche sind gestreift, andere gepunktet, diese hier viereckig...
Einige haben sogar kristalline Strukturen ...
Würden wir diese Steinchen anderswo sehen, kämen wir kaum auf die Idee, dass es Nierensteine sind. Außerhalb ihres Kontextes können wir sie nicht mehr identifizieren.
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